Impuls zum 8. August 2021
„Sonst ist der Weg zu weit für Dich“
Ein Vers der Bibel, der gerne vor der Kommunion vom Zelebranten der Gemeinde zugerufen wird. Wir brauchen Nahrung und Zuspruch, sonst ...ja, sonst ist das „SONST“ zu mächtig, und Mensch und Tier, die ganze Schöpfung werden von den Lebensquellen abgeschnitten. Was wir dem Propheten Elija in der Wüste von Herzen gönnen, nämlich eine Möglichkeit zum Weiterleben, das erbitten wir doch, gerade in dieser verrückten Zeit der Gleichzeitigkeit von Pandemie, Mega-Sportevents, Klimawandel, Wahlkampfgetöse und Hungersnot der ganzen Welt, aber was ist diese eine Welt? Und braucht es nicht auch für den weiten Weg neben der Gnade Gottes irdische Wegbegleiter, die vielleicht eben durch diese Hilfe aus der Höhe, glaubwürdige Zeitgenossen auf der Wüstenwanderung sind. Von einem möchte ich Ihnen heute berichten, genauer von seinem Lebensprojekt. Denn der heutige 8.August ist auch das Fest des Heiligen Dominikus, des Ordensgründers der Predigerschwestern und – Brüder, und Sie gestatten mir sicher einen kleinen „Ausflug“ in meine Ordensfamilie.
Gebet
Herr, lass uns zu Gefährten der Menschen in den Wüsten dieser Welt werden. Für viele ist der Weg zu weit, und sehen kein Brot, von einem Engel des Herrn bereitgestellt. Wir wollen als Anwälte des Friedens und der Gerechtigkeit Dein verlängerter Arm in dieser Welt sein. Wir wollen uns nicht scheuen, wie einst auch der Prophet Elija, Deine Präsenz in den kleinen Dingen dieser Welt, wie das Säuseln des Windes, zu vernehmen. Gib und dazu die Gaben Deines Geistes, der Toleranz und Kreativität schafft. Amen
Lesung aus dem ersten Buch der Könige
In jenen Tagen ging Elíja eine Tagereise weit in die Wüste hinein.
Dort setzte er sich unter einen Ginsterstrauch
und wünschte sich den Tod.
Er sagte: Nun ist es genug, HERR.
Nimm mein Leben;
denn ich bin nicht besser als meine Väter.
Dann legte er sich unter den Ginsterstrauch und schlief ein.
Doch ein Engel rührte ihn an
und sprach: Steh auf und iss!
Als er um sich blickte,
sah er neben seinem Kopf Brot,
das in glühender Asche gebacken war,
und einen Krug mit Wasser.
Er aß und trank und legte sich wieder hin.
Doch der Engel des HERRN kam zum zweiten Mal,
rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss!
Sonst ist der Weg zu weit für dich.
Da stand er auf,
aß und trank
und wanderte, durch diese Speise gestärkt,
vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Gottesberg Horeb.
Predigtimpuls
Eines der merkwürdigsten, aber vielleicht auch passendsten Bilder des Heiligen Dominikus gibt es in der Rosenkranzkapelle der Dominikanerinnen in Vence bei Nizza zu bestaunen. Aus rechtlichen Gründen zeige ich Ihnen das Bild jetzt nicht, aber Sie können es leicht überall im Internet finden. Es ist der Heilige Dominikus von Henri Matisse. Es ist ein Dominikus, bewusst vom großen Könner in der französischen Malerei ohne Gesicht „sans visage“ gemalt. An sich also „nur“ ein eindrucksvolles Strichmännchen, wenngleich dieser Vergleich eventuell Matisse beleidigen würde, denn ich finde sein Werk großartig. Der große Gründer des Predigerordens als gesichtsloses Wesen… Frevel gegen die an sich verdiente Anerkennung oder programmatischer Ausdruck einer Botschaft, die vielleicht mehr als ein markantes Gesicht, das Wichtige auf den Punkt bringt? Nun, ich entscheide mich für die letzte Lösung, denn in der Tat ist Dominikus im Vergleich zu seinem berühmten Zeitgenossen Franziskus eher unbekannt, aber … er geht, und das war vielleicht seine Absicht, im Predigtwerk seiner Töchter und Söhne auf, und bekommt so viele Gesichter, die als Wegbegleiter Brotgebende waren. Dominikus, der in seiner Studienzeit während einer Hungersnot seine teuren Bücher verkaufte, damit die Armen Brot hatten, er, der als erste Gründung Frauen in einem Kloster sammelte, welches den revolutionären Namen „sacra praedicatio“ bekam,… er, der den Slogan für seinen Orden prägte, dass man „ den Irrtum zu hassen, aber den Irrenden zu lieben habe,“ … er hat ein Gesicht des Friedens in der Anwaltschaft für Nächstenliebe und Gerechtigkeit in berühmten und prägenden Frauen und Männern bekommen, von denen ich in dem kurzen Impuls nur vier Persönlichkeiten herausgreifen will.
Brotgebende Gestalt in der faszinierenden Kirchenlehrerin Katharina von Siena, die in ihrer von Krieg, Pest und Spaltung geprägten Zeit, den Autoritäten als einfache Frau, aber halt auch als glühende Visionären, ordentlich die Leviten las, und die Mächtigen in Kirche und Politik aufforderte, durch ein christusgemäßes Leben die Bevölkerung und die Kirche aus der Wüste zu führen, weil SONST….
Brotgebende Gestalt in einem Antonio Montesinos, der in seiner berühmten Adventspredigt die Menschenrechte für die Indios in der Zeit der „Entdeckung der Neuen Welt“ einforderte, die Unterdrücker heftig kritisierte und sie aufforderte zur Humanität für alle Menschen zurückzukehren, weil SONST….
Brotgebende Gestalt in der US-Dominikanerin Sr. Ardeth Platte, die im Kampf gegen die nukleare Aufrüstung sogar für ihren friedlichen Protest mit einer Gefängnisstrafe beschwert wurde, aber die natürlich Recht hatte mit ihrer Art der Friedenspredigt, weil SONST….
Brotgebende Gestalt in dem Märtyrerbischof Pierre Claverie, der als Algerier der Kolonialzeit nach dem Konzil als Dominikaner in seine Heimat zurückging, den Dialog mit dem Islam als Bedingung für den Frieden predigte, die „Wahrheit des Anderen“ brauchte und am 1.August 1996, also vor 25 Jahren, durch eine Bombe in seiner Hauskapelle zerfetzt wurde. Er, der mit seinem muslimischen Freund Muhammad einen grausamen Tod starb, aber dies immer als Konsequenz seiner mutigen Predigt sah, weil SONST….
…weil SONST das Antlitz dieser Erde als Schöpfung Gottes noch mehr verdunkelt worden wäre, wenn es denn nicht diese mutigen Einsprüche gegeben hätte, die vielen Menschen ein Brot der Orientierung gab. Henri Matisses Bild des Dominikus und somit der leere Kopf darf gefüllt werden durch die vielen Gesichter in achthundertjähriger Ordensgeschichte und von denen ich nur vier herausgriff.
Und ich denke, das „leere“ Gesicht Christi darf analog dazu auch durch die vielen Jüngerinnen und Jünger ausgemalt werden, die konsequent in Wort und Tat sein Evangelium leben. Wir kennen doch alle das berühmte Dictum von dem zerstörten Kriegskreuz mit einem Christuscorpus ohne Arme, bei dem der Zettel lag: Ich habe keine Arme als die Eurigen.
Von Herzen wünsche ich Ihnen geisterfüllten Einspruch gegen die Brotlosigkeit in dieser Welt, denn SONST….
Amen
Fürbitte für diese Welt
Als abschließender Gedanke aus einer Predigt von Pierre Claverie OP; wenige Wochen vor seinem Tod, quasi als Fürbitte für diese Welt:
„Seit Beginn des algerischen Dramas hat man mich oft gefragt: Was macht ihr dort? Warum bleibt ihr? Schüttelt den Staub von euren Sandalen: zieht euch zurück. Bei Euch…wo sind wir bei uns? Wir bleiben da wegen des gekreuzigten Messias! Wegen nichts und niemand anderem. Wir haben kein Interesse zu retten oder Einfluss zu bewahren. Wir sind nicht aus einer Art masochistischer Perversion motiviert. Wir haben keine Macht, aber wir sind da am Krankenbett eines Freundes, eines kranken Bruders in Stille. Wir halten ihm die Hand, wischen ihm die Stirn ab. Wir sind da wegen Jesus, denn er ist es, der da leidet. In dieser Gewalt, die niemanden ausspart, gekreuzigt von neuem im Fleisch der unzähligen Unschuldigen. Wie seine Mutter Maria und Johannes stehen wir am Fuß des Kreuzes, wo Jesus stirbt: von den Seinen verlassen und verhöhnt von der Menge. Ist es nicht wesentlich für Christen, an den Orten der Verlassenheit und der Verwahrlosung gegenwärtig zu sein?